„Unmöglich gibt’s nicht!“, das sind Tante Traudls Worte, als sie von unserem Baumhauswunsch hört. Sie ist unsere Lieblingstante. Sie ist zwar unsere einzige Tante, aber hätten wir noch andere gehabt, wäre sie definitiv die Lieblingstante gewesen. Tante Traudl wohnt am Land. Ihre Schwester, also unsere Mutter, ist mit Papa in die Stadt gezogen. Wir wohnen in einem Mehrparteienhaus und haben einen Gemeinschaftsgarten mit Spielplatz, der wirklich gemütlich ist. Allerdings dürfen wir dort kein Baumhaus bauen. Die anderen Kinder würden sich wahrscheinlich darüber freuen. Doch bräuchte man eine Genehmigung, Unterschriften und die Erlaubnis von den Nachbarn, der Stadt und allen Beteiligten. Unsere Eltern finden die Idee vom Baumhaus „echt süß“, aber laut ihnen würde es für immer bei der Idee bleiben.
Tante Traudl hatte früher mal ein Baumhaus für ihre Kinder gebaut. Die sind allerdings um einige Jahre älter als wir und schon außer Haus. Das Baumhaus steht aber noch immer im Garten. Es ist mittlerweile in Ehren ergraut und erfreut sich an unseren Besuchen. In den Ferien dürfen wir oft bei der Tante für einige Tage bleiben. Dann gibt es selbstgemachten Apfelkuchen, den wir natürlich oben im Baumhaus genießen dürfen. Die Traudl ist nicht nur eine tüchtige Handwerkerin. Sie kann auch die besten Kuchen backen. Beim letzten Besuch haben wir zusammen ein Vogelhaus gebaut. Das durften wir sogar in die Stadt mitnehmen und es hat einen passenden Platz auf unserem Balkon gefunden.
„Ach Traudl,“ meint Mama, „leider ist so ein Kinderbaumhaus bei uns wirklich unmöglich. Die Kinder können doch im alten Baumhaus bei dir im Garten spielen!“ Doch die Tante hat da eine ganz andere Idee. „Wer sagt denn, dass so ein Baumhaus nur draußen gebaut werden kann?“ Wir schauen sie alle etwas fragend an. Niemand kann ihr folgen. „Wir bauen euch ein Baumhausbett für’s Kinderzimmer! Ich denke, dass ihr da bestimmt keine Erlaubnis vom Bürgermeister braucht, oder?“ Die Gesichter von meiner jüngeren Schwester und mir erstrahlen, als ob jemand in einem stockdunklen Raum das Licht anmachen würde. Wir sind sofort begeistert. Für einige Sekunden erstarrt unsere Mimik, als Mama sagt: „Solche Betten kosten ein Vermögen. Außerdem haben wir keinen Platz dafür.“ Doch die Tante erwidert: „Bei mir daheim ist genug Holzmaterial vorhanden. An Platz mangelt es bestimmt nicht und die Mädels können mir bei der Montage im Zimmer helfen!“ Sie lacht und unsere Mama muss leicht grinsen. Das stimmt. Unsere Wohnung hat wirklich große Räume. Meine Schwester und ich könnten jede ein Einzelzimmer haben, doch wir haben sie lieber in einen Schlafraum und Spielraum getrennt.
„Bitte Mama! Ihr wolltet uns doch sowieso bald neue Betten kaufen,“ wenden wir uns flehend an Mama. Unsere alten Betten hatten wir in gutem Zustand von unseren Cousins erhalten. Mittlerweile quietschten sie fürchterlich und unsere Eltern hatten schon oft über die Anschaffung von neuen Betten gesprochen. Jetzt war der Moment gekommen! Und wir würden nicht nur neue Betten bekommen. Wir würden unsere persönlichen Baumhausbetten kriegen. Für meine Schwester und mich würde ein Traum in Erfüllung gehen!